8. März 2021
In unserem Klimaklubhaus mit den Kandidat:innen für die Landtagswahl im Speyerer Wahlkreis 39 waren sich Grüne, FDP, Klima Liste, CDU und Die Linke über die nötigen Klimaschutzmaßnahmen weitgehend einig: Ausbau der dezentralen erneuerbaren Energien, Investitionen in einen möglichst kostenlosen ÖPNV, mehr Autos mit alternativen Antrieben und eine bessere Fahrradinfrastruktur, mehr Innovationen und mehr Unterstützung für innovative Gründer:innen.
Zu Rolle und Spielraum der Politik und den Grenzen der Marktwirtschaft kam es jedoch zu teilweise starken Meinungsunterschieden. Diese wurden im Verlauf des Gesprächs deutlich, das vom inSPEYERed-Mitglied und der Kaufladen-Mitinhaberin Sophie Etzkorn geführt wurde, als es um die Implementierung bzw. nicht-Implementierung der vorgeschlagenen Maßnahmen ging.
Patrick Kunz von den Freien Wählern setzt auch auf Innovationen und technischen Fortschritt. Die Implementierung der Technologien sei aber schwierig, räumte er ein. Die Bürger:innen hielten an Gewohntem fest und seien nicht bereit, die Kosten zu tragen. Er halte aber nichts von Steuern und Verboten. Als Beispiel nannte er das Verbot von Splitt auf dem Schifferstädter Friedhof, was zu Missmut geführt habe. Die Rolle der Politik sieht er in einer Informationskampagne, um die Bürger:innen zu überzeugen.
Anders sieht es Jonas Witter, der über Fridays for Future zur neugegründeten Klimaliste gekommen ist. Er befürwortet eine marktwirtschaftliche Steuerung der Treibhausgasemissionen über die Erhöhung des Preises für ein Kilo CO2 auf €100 von heute €20.
Zustimmung über die Absurdität des jetzigen CO2 Preises erhielt Wittner von der 23-jährigen Lehramtsstudentin Kim Brinkmann (Kandidatin für Die Linke). Der Markt werde aber die Klimakrise nicht lösen können, so Brinkmann. Man müsse die Macht durch einen radikalen Umbau des Kapitalismus an die Bürger:innen zurückgeben. Mit dieser Macht ausgestattet, würden die Bürger:innen sicherlich schonend mit den vorhandenen Ressourcen umgehen. Brinkmann war die einzige Kandidat:in, die die Vereinbarkeit des Marktes und des Kapitalismus mit dem 2 Grad-Ziel in Frage stellte und zum Klimanotstand aufrief. So ganz auf die Bürger:innen wollte Brinkmann dann doch nicht vertrauen, als sie für ein „Durchgreifen“ des Staates plädierte.
Anne Spiegel, Spitzenkanditatin der Grünen und verantwortlich für das Ressort „Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten“ in der Landtagsregierung, hatte auch keine Vorschläge für eine Implementierung der längst bekannten Maßnahmen. Auf die Frage eines Teilnehmers, ob die Grünen es versäumt hätten, ihre Vorschläge durchzusetzen, antwortete sie: „Sie glaube nicht, dass die anderen Parteien ein besseres Umsetzungsergebnis hätten. In der Politik müsse man Kompromisse schließen. Das eigene Wahlprogramm bekomme man nie durchgesetzt.
Für Michael Wagner (CDU) hängt die Durchsetzung der dringenden Maßnahmen von der finanziellen Handlungsfähigkeit der Kommunen ab. „Die Kommunen haben kein Geld. Deswegen kann Klimaschutz nur eine nachgeordnete Rolle spielen,“ betonte er. Auch müsse das Thema Klimaschutz an einem Ort, am besten in der Staatskanzelei, gebündelt und als „Querschnittsaufgabe“ koordiniert werden. Ob er die heutige Bündelung und Koordinierung durch das Wirtschaftsministerium kritisch sehe, erläuterte er aber nicht.
Uta Mattern (FDP) äußerte sich nicht zur gegenwärtigen Implementierung. Die Klimakrise sei nur durch neue und bessere Technologien zu bewältigen. Hierfür sei die wichtigste Weichstellung das Unterrichten von Chemie und Physik im Grundschulalter, um Kreativität und Erfindergeist früh zu fördern.
Keine der Kandidat:innen ging auf das Argument der Wissenschaft ein, dass der technische Fortschritt alleine nicht ausreiche, um die Klimaziele zu erfüllen. In Deutschland verbrauche man im Durchschnitt fast 12 Tonnen C02/Person im Jahr, so das Umweltbundesamt. Um die Klimaziele zu erreichen, müssten die Deutschen auf 1 Tonne CO2/Person im Jahr reduzieren. Noch düsterer sieht die Lage aus, wenn man das verbleibende CO2-Budget der Menschheit zu Rate zieht. Beim heutigen Verbrauch hätten wir nur noch 12 Jahre, bevor unser Budget auf 0 sinken würde. Angesichts des Zwölf-Jahres-Horizonts ist es voraussichtlich zu spät für Matterns Chemie- und Physik-affine Grundschulkinder, um die Welt zu retten.
Autorin: Elise Kissling